Grösster Unterschied Kinder- und Hundeerziehung?
Unsere Hunde werden ein Leben lang von uns Menschen abhängig sein. Wir Hundehaltende werden dafür sorgen, dass die Grundbedürfnisse unserer Hunde abgedeckt sind und wir sind diejenigen, die entscheiden wieviel Freiheit und Handlungsspielraum einem Hund erlaubt wird. Wir regulieren enorm Vieles für unsere Hunde. Selbst wenn wir ihnen Selbstregulation beibringen wollen, beginnen und beenden wir Menschen diese Sequenzen, wann wir es für richtig halten.
Kinder sollen auf das Leben vorbereitet werden. Dazu gehört sehr simpel gesagt, dass Kinder in einem angebrachten Tempo Selbständigkeit lernen. Den Hunden werden wir nie eine Autonomie geben können.
Was ist Lernen bei Säugetieren?
Lernen erzeugt eine relativ dauerhafte Veränderung im Verhaltenspotenzial als Ergebnis von Erfahrungen (Anderson, 1995).
Durch Lernen findet eine Anpassung an die Umwelt statt.
Formen des Lernens
1. Klassische Konditionierung
2. Operante Konditionierung
3. Versuch-Irrtum-Lernen
4. Beobachtungslernen
5. Lernen durch Einsicht
•Nach Komplexität geordnet
- Klassische Konditionierung
Die „primitivste“ und somit auch allgegenwärtigste Form des Lernens findet durch klassische Konditionierung statt. Ein Reiz-Reaktions-Muster wird gelernt. Klassische Konditionierungen können je nach Stärke bereits nach einmaliger Verknüpfung entstehen. So z.B. beim Blitz und Donner. Blitzt es und darauf folgt ein lauter Donner, kann es beim nächsten Blitz bei Mensch oder Hund geschehen, dass wir den Donner bereits antizipieren bevor er überhaupt erklingt. Bei einer klassischen Konditionierung wird ein Reiz, der noch keine Bedeutung hat, also neutral ist mit einer anderen Reaktion verknüpft.
Klassische Konditionierungen finden andauernd, sehr oft unbewusst und meist unwillentlich statt.
2. Operante Konditionierung
Bei der operanten Konditionierung handelt es sich im Vergleich zur klassischen Konditionierung um ein Verhalten, welches durch operantes Konditionieren entweder häufiger oder seltener auftritt. Verhalten wird also durch seine Konsequenzen bestimmt. Bei der operanten Konditionierung spricht man von den vier Quadranten der operanten Konditionierung. Es gibt die positive Verstärkung und die negative Verstärkung und die positive Bestrafung und die negative Bestrafung. Eine Verstärkung führt dazu, dass das Verhalten häufiger auftritt. Positive Verstärkung bedeutet soviel, wie dass durch das Hinzufügen von etwas Angenehmen das Verhalten häufiger auftritt (positiv ist als additiv, +, hinzufügen zu verstehen). Negative Verstärkung bedeutet, dass ein unangenehmer Reiz entfernt wird und dadurch das gezeigte Verhalten häufiger gezeigt wird. (negativ, -, wegnehmen, entfernen von etwas Unangenehmen). Hier gilt zu beachten, dass biologisch gesehen die negative Verstärkung sehr stark wirkt, also nachhaltig ist. Dies macht Sinn, denn es ist sinnvoll sich aus gefährlichen Situationen zu entfernen um das eigene Überleben gewährleisten zu können. Auch bei den Strafen wird die negative und positive Strafe unterschieden. Wiederum bedeutet hier die negative Strafe, dass etwas entfernt wird und dies als Strafe wirkt und das Verhalten dadurch weniger oft gezeigt wird. Zum Beispiel nehme ich dem Hund ein Spielzeug oder meine Aufmerksamkeit weg. Positive Strafe bedeutet, dass ich etwas hinzufüge, was Unangenehm ist und dadurch trifft das Verhalten weniger oft auf.
Die 4 Quadranten haben allerdings eine Krux, denn in der Praxis ist es oft viel schwieriger eine Konsequenz wirklich einem der vier Quadranten zuzuordnen. So müssten es quasi 6 Quadranten sein. Nämlich, dass das Verhalten selbst dann nicht häufiger oder weniger wird, wenn etwas hinzugefügt oder entfernt wird.
3. Versuch-Irrtum-Lernen
Versuch-Irrtum-Lernen am Beispiel des Ortslernen. Eine Ratte lernt durch Versuch und Irrtum, welcher Weg aus dem Labyrinth herausführt. Nach jedem Durchgang wird die Ratte das Labyrinth schneller bewältigen, da Lernen stattgefunden hat.
Auch in unserem Alltag ist Lernen durch Versuch und Irrtum eine häufige Form, welche der operanten Konditionierung sehr ähnlich, jedoch ein bisschen komplexer ist, da beim Versuch- und Irrtum-Lernen eben Hindernisse zu bewältigen sind.
4. Beobachtungslernen/Soziales Lernen
Bandura (1965) zeigte 4-5 jährigen Kindern einen Fernsehfilm, in welchem eine erwachsene Person eine lebensgrosse Plastikpuppe mit dem Fuss kickte, auf die Nase boxte oder mit einem Hammer auf den Kopf haute, ausserdem wurden diese körperlichen Akte von verbaler Aggression (Beschimpfungen) begleitet.
Nach dieser ersten Beobachtung gab es drei verschiedene Gruppen.
-Die 1. Gruppe beobachtete, wie ein zweiter Erwachsener erscheint, welcher den ersten lobt und mit Süssigkeiten und Getränken belohnt.
-Die zweite Gruppe beobachtete einen zweiten Erwachsenen, welche den ersten Erwachsenen tadelt und ihn mit Handgreiflichkeiten bestraft.
-Bei der dritten Gruppe erschien kein zweiter Erwachsener.
Anschliessend kommen die Kinder allein in ein Spielzimmer, in dem Gegenstände aus dem Film auch die Puppe sind. Die Kinder werden gefragt, was die Person im Film mit der Puppe gemacht habe.
Resultate
Kinder aus allen drei Gruppen zeigten aggressive Verhaltensweise gegenüber der Puppe und ahmten zum Teil exakt beobachtetes Verhalten nach.
Die Gruppe, welche stellvertretendes Bestrafen beobachteten zeigten weniger aggressives Verhalten als die anderen Gruppen.
Sobald aber ein zusätzlicher Anreiz geboten wurde, zeigten alle Gruppen gleich viel aggressives Verhalten.
WICHTIG:
Alle Gruppen haben das beobachtete Verhalten durch Beobachtung gelernt. Ob und wie schnell sie es selber zeigen, hängt von den Konsequenzen ab, die das Modell (der Erwachsene, der die Puppe attackierte) stellvertretend erhalten hat.
Dies bedeutet, Verhalten wird durch Beobachtung gelernt! Die Spiegelneuronen werden beim Beobachten aktiviert und rein durch die Beobachtung sinkt die eigene Hemmschwelle, selber Gewalt anzuwenden! Gerade in Situationen in denen wir Wut oder Frust empfinden, neigen wir Menschen dann eher dazu selber aggressive Verhaltensweisen anzuwenden, als wenn wir zuvor selber nie Gewalt beobachtet haben.
5. Lernen durch Einsicht
Die Lösung des Problems entdecken sie nicht durch Versuch und Irrtum, sondern durch einen internen Denkprozess, d.h. durch Einsicht in die Problemsituation ein „Aha-Erlebnis“.
Lernen und Motivation
Sehr oft wird bei der Motivation von extrinsicher und intrinsicher Motivation gesprochen. Die extrinsische Motivation bedeutet soviel, wie eine Motivation, die von aussen kommt, also ein Anreiz, eine Belohnung. Die intrinsische Motivation, stellt die Motivation von „Innen“, aus „eigenem“ Willen dar. Doch tatsächlich lässt sich bei uns Menschen sehr oft kaum klar aufteilen, was jetzt alles intrinsisch oder extrinsisch motiviert ist. In der Kinderforschung gehen die Forscher jedoch davon aus, dass Kinder zum Beispiel weniger oft freiwillig malen, die Eigenmotivation also sinkt, wenn diese dafür belohnt werden (Lepper, Greene & Niesbett, 1973).
Die Wechselwirkung zwischen intrinsicher und extrinsicher Motivation ist aber komplex und nicht vollkommen erforscht. Immaterielle extrinsische Anreize wie etwa das Lob eines Vorgesetzten oder die Zustimmung der sozialen Gruppe können sogar die intrinsische Motivation steigern (Deci, Koestner & Ryan, 1999). Materielle extrinsische Anreize wie Geld scheinen dagegen intrinsische Motivation zu untergraben.
Kompetenz- und Autonomieempfinden
Für mich gehört Selbstwirksamkeit zu einem der wichtigsten Gefühle um das Leben „im Griff“ zu haben. Das eigene Tun und Lassen hat einen Einfluss auf das, was in unserem Leben passiert. Es gibt Dinge, welche nicht durch uns beeinflusst werden und solche, die sich durch uns beeinflussen lassen. Ein gesunder Selbstwert und Resilienz gekoppelt mit Selbstwirksamkeit sind Life-Skills welche zu einem zufriedenen Gefühl am Ende des Tages verhelfen. Um aber überhaupt die Selbstwirksamkeit nutzen zu können, muss einer sich seiner Kompetenzen bewusst sein und diese auch eigenständig in die Tat umsetzen (Autonomie).
Beziehung
Das Wort „Relation“ bedeutet eine Beziehung in der sich (zwei) Dinge vergleichen lassen oder sich wechselseitig bedingen/sich gegenseitig beeinflussen. So kann gesagt werden, dass jede Interaktion Einfluss auf die Beziehung hat, sei dies bei Mensch-Mensch oder Mensch-Hund Interaktion. Wer die 5 Axiome von Watzlawick kennt, weiss dass man 1. „Nicht nicht kommunizieren kann“ und 2. „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und Beziehungsaspekt“.
FAZIT
Kinder und Hunde werden nicht gleich gefördert. Die Erziehung, respektive was ein Hund oder ein Kind in seinem Leben lernen soll, bezweckt nicht das gleiche Ziel. Sowohl bei Hund und Mensch finden jedoch während dem Lernen die gleichen Prozesse in unseren Säugetier-Gehirnen statt. Ein Hund soll lernen, mit unserer Menschenwelt zurechtzukommen, wobei wir stets begleitend wirken. Ein Kind soll auf die Welt und das eigene Fungieren in dieser vorbereitet werden.
Meine Empfehlung!
Austausch und Zuhören! Sucht euch Gleichgesinnte und Menschen mit anderer Meinung. Hört einander zu, tauscht euch aus und versucht gemeinsam etwas Tolles zu kreieren. Sucht euch Inspiration, lest euch in Bücher ein, besucht Webinare oder Seminare 😉
Behaltet dabei aber eine offene Neugierde und versucht vielleicht gar nicht Alles zu verstehen, so leuchten nämlich oft ganz ungewollt die Aha-Birnen umso mehr.