Was passiert, wenn wir Cesar Millan schauen

In diesem Text erfährst du was unterbewusst bei dir passieren kann, wenn du TV-Hundetraining schaust. Denn rein das Beobachten von Gewalt kann deine eigene Hemmschwelle selber Gewalt anzuwenden senken. Eventuell kannst du die Zeit mit deinem Hund sogar weniger geniessen, weil das Schauen von TV-Hundetraining zu Frust bei dir führt.
Doch mehr dazu in folgendem Text:


Lernen durch Beobachtung, Bandura

Wer die Versuche von Bandura (Bandura, 1965) kennt, weiss welchen Effekt alleine die Beobachtung aggressiven Verhaltens haben kann. Bandura zeigte 4-5 jährigen Kindern einen Fernsehfilm, in welchem eine erwachsene Person eine lebensgrosse Plastikpuppe mit dem Fuss kickte, auf die Nase boxte oder mit einem Hammer auf den Kopf haute, ausserdem wurden diese körperlichen Akte von verbaler Aggression (Beschimpfungen) begleitet.

Hier ein Video zu Bandura’s Versuchen:

 

Nach dieser ersten Beobachtung gab es drei verschiedene Gruppen.

-Die 1. Gruppe beobachtete, wie ein zweiter Erwachsener erscheint, welcher den ersten lobt und mit Süssigkeiten und Getränken belohnt.
-Die zweite Gruppe beobachtete einen zweiten Erwachsenen, welche den ersten Erwachsenen tadelt und ihn mit Handgreiflichkeiten bestraft.
-Bei der dritten Gruppe erschien kein zweiter Erwachsener.

Anschliessend kommen die Kinder allein in ein Spielzimmer, in dem Gegenstände aus dem Film auch die Puppe sind. Die Kinder werden gefragt, was die Person im Film mit der Puppe gemacht habe.

Resultate

Kinder aus allen drei Gruppen zeigten aggressive Verhaltensweise gegenüber der Puppe und ahmten zum Teil exakt beobachtetes Verhalten nach.
Die Gruppe, welche stellvertretendes Bestrafen beobachteten zeigten weniger aggressives Verhalten als die anderen Gruppen.
Sobald aber ein zusätzlicher Anreiz geboten wurde, zeigten alle Gruppen gleich viel aggressives Verhalten.

WICHTIG:

Alle Gruppen haben das beobachtete Verhalten durch Beobachtung gelernt. Ob und wie schnell sie es selber zeigen, hängt von den Konsequenzen ab, die das Modell (der Erwachsene, der die Puppe attackierte) stellvertretend erhalten hat.
Dies bedeutet, Verhalten wird durch Beobachtung gelernt! Die Spiegelneuronen werden beim Beobachten aktiviert und rein durch die Beobachtung sinkt die eigene Hemmschwelle, selber Gewalt anzuwenden! Gerade in Situationen in denen wir Wut oder Frust empfinden, neigen wir Menschen dann eher dazu selber aggressive Verhaltensweisen anzuwenden, als wenn wir zuvor selber nie Gewalt beobachtet haben.

Bildquelle: Angermeier, Bednorz & Schuster (1991, 141

Wenn wir Gewalt im Fernsehen beobachten, findet ausserdem eine Emotionale Desensibilisierung (Krahe, et al., 2011) statt. Dies hat zur Folge, dass wir Gewalt von Zeit zu Zeit als weniger schlimm empfinden. So könnte dies bewirken, dass wir „geringe“ Formen von Gewalt selber anwenden, weil dies im Vergleich zu Techniken, die im Fernsehen beobachtet wurden, immer noch harmlos scheint.

Des Weiteren wird durch TV-Hundetraining einfach ein falsches Bild erzeugt. Der Zuschauende hält etwas für real, was gar nicht wahr ist. Man muss sich überlegen, dass nicht alles mit der Kamera festgehalten wird und am Schluss das Ganze noch irgendwie zurechtgeschnitten wird. Der Ablauf ist immer der gleiche. Zuerst wird der Hund reizüberflutet, bis er endlich reagiert. Dann kommt der TV-Trainer, der das gezeigte Verhalten mit viel Druck unterbindet, bis der Hund sich nicht mehr getraut, das Verhalten zu zeigen. Es geht in diesem Moment rein um die Show, die Zuschauenden sollen Action sehen und einen Helden, der allen weiterhilft. Hier geht es nicht um das Wohl des Tieres, sondern um die Unterhaltung der Zuschauenden. Stellt euch vor, wie langweilig eine Show ohne gestresste und durchdrehende Hunde wäre.

Aber um auf die Gefahren des Zuschauenden zurückzukommen, möchte ich den Urteilsfehler „dies würde ich nie machen“ beleuchten. Dazu eine kleine Aufgabe: Beobachte dich für eine gewisse Zeit täglich, ob du nicht vielleicht zwischendurch wütend wirst und wie du dann reagierst. Wut ist eine ganz normale Reaktion und du darfst und sollst die Emotion auf jeden Fall zulassen. Jedoch sollst du die Emotion nicht am Hund auslassen. Ich selber habe auch bemerkt, dass ich ab und zu dieses „TSCH“ schon verwendet habe. Durch Selbstreflexion habe ich das „TSCH“ aber jeweils in ein „Schau mal“ oder „Lass das“ umgewandelt. Dadurch verstehen mich meine Hunde wieder besser und sie wissen genau, was ich in diesem Moment von ihnen will.

Ausserdem kann das Schauen von TV-Hundetraining beim Zuschauenden zu Frust führen. Schliesslich scheint es ja wirklich so, als ob das Problem mit dem Hund gelöst sei. Wir wissen jedoch, dass das hinter der Kamera aber nicht so sein wird. Nichts desto trotz wollen wir uns nicht ohnmächtig fühlen, weil wir nicht die selben Fortschritte wie ein TV-Trainer machen (hierbei spielt die Methode des Trainers keine Rolle, soziale Vergleiche finden unterbewusst immer statt).

Also hilft es dir am Besten weniger oder sogar kein TV-Hundetraining zu schauen und dich viel mehr auf die Zeit mit deinem Hund zu fokussieren und diese zu geniessen. Positives Training macht nämlich nicht nur deinem Hund, sondern auch dir mehr Freude!

Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Blogparade 2018 zur Aktion „Tausche TV-Trainer-Ticket gegen Training“ der Initiative für gewaltfreies Hundetraining. Seit 2014 tauschen mehr als 150 TrainerInnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz gebrauchte TV-Trainer-Tickets für ein halbes Jahr nach der Veranstaltung gegen eine Gratis-Trainingsstunde.

Sunny Bennet’s toller Startpost:

Die Fabel von der ruhigen Energie

mehr Infos zur Tauschaktion: